Japanische vs europäische/deutsche Messer – Unterschiede, Vorteile, Nachteile
- Von Dominic Groblewski
- Zuletzt aktualisiert: November 23, 2023
Japanische & europäische bzw. deutsche Küchenmesser gehören weltweit zu den beliebtesten Messern. Beide Messertypen unterscheiden sich jedoch teilweise sehr stark und haben ihre Vor- & Nachteile. Daher versuche ich auf die wichtigsten Unterschiede einzugehen und gebe verschiedene Tipps & Empfehlungen.
Inhaltsverzeichnis
Unterschiede auf einen Blick
Japanische Messer sind schärfer, schneidfreudiger und bleiben länger scharf, gleichzeitig sind sie empfindlicher gegenüber falscher Handhabung und anspruchsvoller in der Pflege. Europäische Küchenmesser sind hingegen schwerer, robuster, pflegeleichter und einfacher zu schärfen.
Messerstahl
Der verwendete Stahl ist der erste und größte Unterschied beider Messerkulturen. Europäische bzw. deutsche Hersteller verwenden in der Regel weichere Messerstähle mit einer Härte zwischen 55-58 HRC.
Japanische Schmiede/Hersteller verwenden hingegen härtere Messerstähle zwischen 58-67 HRC. Hinzu kommt, dass japanische Messer deutlich häufiger aus Carbonstahl bestehen, was widerum weitere Vorteile bringt, aber auch einige Nachteile.
Bereits aus der Wahl der unterschiedlichen Stähle, ergeben sich dann weitere Unterschiede.
Traditionelle japanische Messer werden häufig aus Carbonstahl hergestellt. Europäische Messer bestehen hingegen meistens aus Edelstahl. Moderne japanische Messer bestehen immer häufiger aus Edelstahl.
Schärfe & Schnitthaltigkeit
Japanische Stahlsorten sind insgesamt härter und teilweise deutlich härter, als deutsche/europäische Messerstähle. Deshalb sind japanische Messerstähle in der Lage, eine deutlich bessere Schärfe zu erreichen und diese länger zu erhalten. D.h. japanische Messer sind schärfer und müssen deutlich seltener geschärft bzw. geschliffen werden.
Europäische Hersteller verwenden hingegen in der Regel weichere Stahlsorten. Weichere Stahlsorten werden nicht so scharf und müssen häufiger geschärft/geschliffen werden, sind dafür aber zäher/unempfindlicher.
Schärfen
Für deutsche/europäische Messer eignen sich zum Schärfen am besten:
- Wetzstähle
- Keamik-Schärfstäbe
- Ggf. Diamant-Schleifstäbe
Japanische Messer sind häufig etwas anspruchsvoller, was das Schärfen angeht. Hier eignen sich am besten:
- Abziehleder
- Feine Schleifsteine
- Keramik-Schärfstäbe (jedoch gewisse Sachen beachten)
Zum Schleifen eignen sich sowohl für europäische, als auch japanische Messer am besten:
- Schleifsteine
- Schleifsysteme
- Hochwertige Messerschärfer
Schneidfähigkeit / Schneidfreudigkeit
Japanische Messer können aufgrund des geringeren Gewichts und härteren Stahls dünner ausgeschliffen werden, als europäische Messer. Zusätzlich haben hochwertige japanische Messer eine optimierte Klingengeometrie.
Durch die Kombination aus Schärfe, dünner Klinge und optimierter Klingengeometrie, sind japanische Messer deutlich schneidfreudiger als europäische/deutsche Messer.
D.h. man benötigt mit japanischen Messern deutlich weniger Kraft und das Schneiden ist deutlich eleganter, als mit europäischen Messern.
Gewicht
Japanische Messer sind aus verschiedenen Gründen teilweise deutlich leichter, als europäische/deutsche Küchenmesser.
Zum Einen sind japanische Klingen dünner und somit leichter, zusätzlich wiegen vor allem die traditionellen japanischen Wa Griffe deutlich weniger, als westliche genietete Griffe mit durchgehendem Erl.
Das leichtere Gewicht japanischer Messer kann deshalb vor allem bei Profis vorteilhaft sein, die lange und viel schneiden, da der Arm nicht so schnell ermüdet.
Robustheit
Ein weiterer Unterschied ist die Empfindlichkeit bzw. die Robustheit beider Messertraditionen. Japanische Messer sind zwar dünner, gleichzeitig sind sie auch empfindlicher gegenüber falscher Handhabung. Zudem ist sehr harter Messerstahl spröder und brüchiger.
Beide Faktoren – dünnere Klinge & härterer Messerstahl – machen japanische Messer teilweise deutlich empfindlicher gegenüber falscher Handhabung. Daher ist es bei japanischen Messern keine Seltenheit, dass kleine Ausbrüche entstehen, wenn man aus Versehen etwas Hartes schneidet.
Europäische Messer sind hingegen robuste Alleskönner. Sie werden bei falscher Handhabung zwar schneller stumpf, dafür halten sie sehr viel aus und sind im Normalfall „unkaputtbar“ bzw. man muss sich anstrengen, um sie zu beschädigen.
Pflegeleichtigkeit
Europäische Messer sind teilweise deutlich pflegeleichter, als traditionelle japanische Messer. Edelstahlklinge, Kunststoffgriff und einfaches Nachschärfen sind ideal für alle, die sich nicht sonderlich mit Messern beschäftigen wollen.
Moderne japanische Messer sind hingegen pflegeleichter und sind teilweise genauso pflegeleicht wie Europäische Messer.
Schleifwinkel & Schliff
Aus dem Zusammenspiel aus Gewicht & Stahlhärte ergeben sich dann ebenfalls die unterschiedlichen Schleifwinkel beider Messerkulturen.
Japanische Messer sind leichter und bestehen aus einem härteren Stahl. Dadurch kann der Schleifwinkel/Schneidenwinkel bei japanischen Messern geringer sein. In der Regel beträgt der Schleifwinkel bei japanischen Messern zwischen 8-15°.
Europäische Messer sind hingegen schwerer und bestehen aus einem weicheren Stahl. Ein zu geringer Schleifwinkel macht bei solchen Messern keinen Sinn, da sie nach zu kurzer Zeit stumpf werden würden.
Daher ist es bei europäischen Messern empfehlenswert, einen größeren Schleifwinkel zu verwenden.
Für die meisten europäischen Messer eignet sich ein Schleifwinkel zwischen 15-25°
D.h. leichte Messer aus einem härteren Stahl, vertragen einen geringeren Schleifwinkel, ohne frühzeitig stumpf zu werden.
Schwere Messer aus weichem Stahl, benötigen hingegen einen größeren Schleifwinkel, andernfalls werden sie zu schnell stumpf.
Schliff
Japanische Messer sind häufig deutlich dünner ausgeschliffen und deshalb häufig auch empfindlicher. Hinzu kommt, dass japanische Messer – je nach Anwendungsgebiet- häufig verschiedene Arten von Schliffen haben.
Japanische Messer verwenden in der Regel drei verschiedene Arten des Schliffs:
- Symmetrischer Schliff (japanischer V-Schliff)
- Asymmetrischer Schliff
- Einseitiger Schliff
Welcher Schliff bei japanischen Messern verwendet wird, ist abhängig von der Messerform und dem Verwendungszweck von japanischen Messern. Aufgrund des härteren Stahls und des geringeren Gewichts japanischer Messer, beträgt der Schleifwinkel in der Regel zwischen 7-15°.
Europäische Messer könnten theoretisch auch geringere Schleifwinkel haben, würden aufgrund des relativ hohen Gewichts und des weicheren Stahls ziemlich schnell stumpf werden. Daher hat sich bei europäischen Küchenmessern ein Schleifwinkel von 15-20° durchgesetzt, weil er einen guten Kompromiss zwischen Schärfe & Schnitthaltigkeit bietet.
Tipp: Schleifwinkel + Schleifwinkel = Schneidenwinkel.
D.h. 10° Schleifwinkel + 10° Schleifwinkel = 20° Schneidenwinkel
Griff
Traditionelle japanische Messer besitzen oftmals einen geklebten Holzgriff, der das Messer zwar leicht macht, aber gleichzeitig nicht so belastbar ist. Moderne japanische Messer haben hingegen einen genieteten Griff aus Kunststoff oder Hartholz. Dadurch sind moderne japanische Messer etwas belastbarer.
Europäische/Deutsche Griffe sind meistens genietet und bestehen aus widerstandsfähigem Kunststoff. Sie sind – genau wie der Rest des Messers – ausgesprochen robust und halten eine Menge aus.
Balance
Die Balance ist bei europäischen Messern aufgrund des schwereren Griffs meistens grifflastiger als bei japanischen Messern. Bei japanischen kommt es darauf an, ob ein traditioneller Wa Griff oder ein moderner genieteter Yo Griff verbaut ist. Insgesamt ist die Balance bei japanischen Messern aber entweder mittiger und manchmal auch klingenlastiger.
Die jeweiligen Balancepunkte wirken sich weder vorteilig, noch nachteilig aus und im Grunde kommt es auf die die individuellen Vorlieben an, welche Balance man bevorzugt.
Preis-Leistung
Lange Zeit war die Preis-Leistung von deutschen Messern (in Deutschland) unschlagbar. In den letzten Jahren haben sich jedoch 2 grundlegende Sachen geändert.
- Deutsche Messer sind aufgrund (deutlich) gestiegener Produktionskosten/Energiepreise deutlich teurer geworden.
- Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an hochwertigen und vergleichsweise preiswerten japanischen Messern.
Dadurch hat sich das Verhältnis in den letzten Jahren deutlich zugunsten japanischer Messer verschoben. D.h. auch wenn japanische Messer im Schnitt etwas teurer sind, ist die Preis-Leistung von bestimmten japanischen Messern mittlerweile teilweise sogar besser.
Klingen-Finishs
Ein weiter häufig nicht erwähnter Aspekt sind die unterschiedlichen japanischen Klingen-Finishs.
Deutsche/Europäische Messer bestehen fast ausschließlich aus Monostahl und haben in der Regel eine polierte Klinge.
Japanische Messer besitzen hingegen unterschiedliche Oberflächen, Texturen und Optiken, die sogenannten Klingen-Finishs, was nochmal die Variationsmöglichkeiten bei japanischen Messern deutlich erhöht.
Wer sich für die unterschiedlichen japanischen Klingen-Finish-Arten interessiert, kann sich diesen Artikel durchlesen.
Moderne europäische Messer & moderne japanische Messer
Beide Messertraditionen stehen quasi in Konkurrenz zueinander und sind daher stets gezwungen sich weiterzuentwickeln und zu verbessern. Nach dem Weltkrieg gewannen westliche Messer in Japan und im asiatischen Raum immer mehr an Beliebtheit, weil westliche/europäische Messer so einfach in der Handhabung waren.
Daraufhin haben die Japaner reagiert und stellten zunehmend moderne japanische Messer her, die viele Eigenschaften europäischer Messer übernahmen wie z.B. den genieteten Griff, weicheren Stahl oder einen symmetrischen Schliff.
Mit zunehmender Globalisierung wurden japanische Messer bei uns in Europa immer beliebter, sodass europäische Hersteller reagieren mussten, um mithalten zu können. Europäische Messerhersteller haben beispielsweise in den letzten Jahren den Schleifwinkel von Küchenmessern von 20° auf 15° verringert, sodass europäische Messer schärfer wurden. Zudem gibt es immer mehr europäische Messer auch ohne Kropf zu kaufen.
Spektrum an Europäischen & Japanischen Messern
Victorinox Fibrox
Wüsthof Classic Ikon
KAI Shun
Miyabi 7000D
Handgeschmiedetes Messer aus Tamahagane Stahl
- Das Spektrum fängt ganz links bei den preiswerten (aber nicht unbedingt immer schlechten) europäischen Küchenmessern an. Sie sind preiswert, pflegeleicht, robust und man kann mit solchen Messern nicht viel falsch machen. Meine Empfehlung ist beispielsweise das Victorinox Fibrox, z.B. bei Amazon oder in meinem Testbericht.
- Danach kommen die etwas teureren deutschen Kochmesser namhafter Hersteller, die bereits häufig von Profis verwendet werden. Sie sind ebenfalls pflegeleicht und robust, allerdings haben sie eine bessere Verarbeitungsqualität und sind deshalb teurer.
- Als nächstes kommen die an den Westen angepassten japanischen Messer. Diese Messer versuchen die Vorteile von europäischen & japanischen Messern zu vereinen. Sie sind pflegeleicht wie europäische Messer, robuster als die meisten japanischen Messer und deutlich schärfer & schneidfreudiger als deutsche Messer. Dafür haben sie häufig nicht das beste Preis-Leistungsverhältnis. Dazu zählen beispielsweise Marken wie KAI, Global oder Miyabi.
- Als nächstes kommen die modernen, aber etwas traditionelleren japanischen Messer wie z.B. mit traditionellem Wa Griff oder asymmetrischem Schliff, z.B. Fujiwara Kanefusa, Tsunehisa & Misono.
- Als letztes kommen die handgeschmiedeten japanischen Messer, die aufgrund der Handarbeit häufig mehrere hundert Euro kosten und – je nach verwendetem Stahl – bereits aufwendiger in der Pflege sind, z.B. Tojiro Atelier, Nao Yamamoto.
Empfehlenswerte japanische Einstiegsmesser
Bei europäischen/deutschen Messern sind die Unterschiede in der Regel recht gering.
Bei japanischen Messern macht es jedoch häufig Sinn, sich zunächst an die härteren Stähle heranzutasten, daher werden bestimmte japanische Messer besonders häufig als Einstiegsmesser empfohlen. Wer sich für dieses Thema interessiert, kann sich meinen Artikel: Die besten japanischen Messer für Einsteiger durchlesen.
Ansonsten biete ich in meinem Online Shop noch ein paar sehr gute & pflegeleichte japanischen Messer an, wie z.B. Tsunehisa Messer, die besonders empfehlenswert sind.
Vorteile, Nachteile, Unterschiede auf einen Blick
Japanische Messer | Europäische Messer |
---|---|
Sehr gute Schärfe & Schneidfähigkeit | Erreichen 90-95% der Alltagsschärfe von japanischen Messern |
Bessere Schnitthaligkeit | Schnelles & einfaches Nachschärfen |
Sind teilweise sehr empfindlich | Robust & Pflegeleicht |
Leichter | Teilweise deutlich schwerer |
Aufgrund von Transport- & Importkosten teurer | Meist genieteter Kunststoffgriff |
Stahlhärte 58-64+ HRC | Stahlhärte 55-60 HRC (selten höher) |
Schleifwinkel ca. 7-15° | Schleifwinkel 15-20° |
Geklebter Holzgriff (traditionell) oder genieteter Holzgriff (modern) | |
Preis-Leistung bei japanischen Messern mittlerweile teil. besser |
Fazit: Wann man sich für welche Messer entscheiden sollte
Wann man sich für welche Messer entscheiden sollte, ist im Grunde abhängig
- auf welchem Skill-Level man sich befindet,
- wieviel Zeit man in die Pflege investieren möchte,
- ggf. wer die Messer noch benutzt,
- und welches Budget zur Verfügung steht.
Als vollkommener Anfänger, wenn man sich nicht großartig um seine Messer kümmern möchte, zum Üben oder wenn mehrere Personen im Haushalt das Messer verwenden, dann ist vermutlich ein preiswertes europäisches Messer (eines namhaften Herstellers) die beste Wahl.
Wem Schärfe & Schneidfreudigkeit oder auch Handarbeit besonders wichtig ist oder wer seine „Schneid-Skills“ aufs nächste Level bringen möchte, dann sind japanische Messer die beste Wahl. Keine anderen Messer bieten das selbe Maß an Schärfe, Schneidfreudigkeit, Schnitthaltigkeit, aber auch an Handarbeit, wie japanische Messer.
Empfehlenswerte Artikel zum Thema:
Dominic Groblewski
Seit über 15 Jahren leidenschaftlicher Hobbykoch, Messerliebhaber und der Autor hinter Messer Mojo. Zusätzlich biete ich hochwertige Messer & Zubehör in meinem Online Shop an (der hoffentlich noch wächst).